Nettolohnvereinbarung: Zur Berechnung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Scheinselbstständigkeit

In Beitragbescheiden aufgrund von Betriebsprüfungen, in denen festgestellt wird, dass bestimmte Auftragnehmer/Subunternehmer als abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig eingestuft werden, findet sich oft die Feststellung, dass als Beitragsbemessungsgrundlage zur Ermittlung der Beitragshöhe der Nettobetrag des gezahlten Honorars einschließlich der darauf entfallenden Mehrwertsteuer zugrunde gelegt wird und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung einschließlich Lohnsteuer diesem Betrag hinzugerechnet werden. Dies führt in vielen Fällen zu äußerst hohen Beitragsnachforderungen, die in keinem Verhältnis zu den Beiträgen stehen, die im Falle einer Anstellung der betroffenen Auftragnehmer hätten entrichtet werden müssen. Was hat es damit auf sich?

Eine Nettolohnvereinbarung bedeutet, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anstelle eines Bruttolohns die Zahlung eines Nettolohns unabhängig von der Steuerklasse und der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge vereinbart wird. Für diese Fälle bestimmt das Gesetz, dass die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung als Einnahmen gelten (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Des Weiteren gilt kraft Gesetzes ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn für illegale Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Diese Bestimmung hat erhebliche praktische Auswirkungen auf die Fälle der Scheinselbstständigkeit:

Was ist ein illegales Beschäftigungsverhältnis?

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind grundsätzlich sämtliche Tätigkeiten, die gegen Bestimmungen verstoßen, die dieses Beschäftigungsverhältnis betreffen „illegal“. Eine illegale Beschäftigung liegt daher auch dann vor, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Erstattung von Meldungen und Zahlung von Beiträgen nicht nachkommt.

Vorsatz

Das betrifft somit auch die Fälle von Scheinselbstständigkeit. Es reicht aber nicht aus, dass nur ein objektiver Verstoß gegen Melde- und Beitragspflichten vorliegt. Denn es sind zahlreiche Fälle denkbar, in denen Auftraggeber aus unverschuldeter Unkenntnis von einer Selbstständigkeit ausgehen. Das Bundessozialgericht hat für diese Fälle in einem Urteil vom 09.11.2011 B 12 R 18/09 R entschieden, dass neben der Feststellung eines objektiven Verstoßes gegen Melde- und Beitragspflichten auch ein (zumindest bedingter) auf die Pflichtverletzung bezogener Vorsatz vorliegen muss. Der Arbeitgeber muss die Nichtzahlung von Beiträgen demnach zumindest billigend in Kauf genommen haben. Soll heißen: Er hätte wissen müssen, dass Beiträge zu zahlen waren oder hätte sich die erforderlichen Kenntnisse durch Einholung von Auskünften bei den Sozialversicherungsträgern beschaffen müssen.

Beitragsberechnung bei Nettolohnvereinbarung

In diesen Fällen des zumindest bedingten Vorsatzes liegt eine illegale Beschäftigung vor, sodass nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV kraft Gesetzes ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart gilt. In diesem Fall werden die vom Arbeitgeber ohne gesetzliche Verpflichtung übernommenen Arbeitnehmeranteile, die Lohnsteuer, der Solidaritätszuschlag sowie ggf. die Kirchensteuer dem Arbeitsentgelt zugerechnet und daraus die Beiträge ermittelt. Die Anwendung dieser Regelung kann in manchen Fällen zu Nachforderungen in existenzgefährdender Höhe führen, insbesondere dann, wenn die selbstständigen Auftragnehmer bzw. Subunternehmer ohnehin höher vergütet wurden, als die abhängig Beschäftigten. Deshalb ist es in solchen Fällen geboten, bei der Abwehr solcher Forderungen im Widerspruchs- und Klageverfahren immer auch den fehlenden Vorsatz zu begründen.