Werkverträge und Sozialversicherungspflicht

In den letzten Wochen machten Meldungen über unzulässige Werkverträge die Runde. In der Presse ging es hauptsächlich um arbeitsrechtliche Fragen und Lohndumping. Prominente Beispiele waren Daimler und die Meyer-Werft in Papenburg. Das Thema hat aber auch einen sozialversicherungsrechtlichen Aspekt. Schein-Werkverträge können Sozialversicherungspflicht auslösen. Dabei gibt es zwei typische Gestaltungsformen:

  • Ein Unternehmen schließt mit Einzelperson, die als Solo-Selbstständige auftreten, Werkverträge, z.B. in der Bauwirtschaft durch Beauftragung mit der Erstellung einzelner Gewerke. Die Subunternehmer haben eigene Gewerbe angemeldet (häufig haushaltsnahe Dienstleistungen, Gartenpflege, Reinigungsarbeiten etc.).
  • Der Werkvertrag wird zwischen zwei Unternehmen geschlossen. Der Auftragnehmer setzt zur Erfüllung des Auftrages eigene Mitarbeiter ein. Dies kann als echter Subauftrag unter Unternehmen der gleichen Brachen geschehen, z.B. im Baugewerbe oder auch in Form der Leih- und Zeitarbeit.

Im ersten Fall besteht das Risiko, dass der Werkunternehmer so in den Betrieb seines Auftraggebers eingegliedert ist, dass er in Wahrheit von diesem abhängig und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Im zweiten Fall besteht ebenfalls die Gefahr, dass die Mitarbeiter des Subunternehmers wie Arbeitnehmer des Hauptunternehmers tätig werden, d.h. auf Weisung des Hauptauftraggebers arbeiten und in dessen Betrieb eingegliedert werden. Diese Fälle laufen unter dem Stichwort „illegale Arbeitnehmerüberlassung.“ Diese Konstellation liegt vor, wenn der Subunternehmer seinem Auftraggeber lediglich geeignete Arbeitskräfte überlässt, die der Dritte nach seinen betrieblichen Erfordernissen und seinen Weisungen einsetzt.

Dabei wird häufig übersehen, dass das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht durch eine vertragliche Regelung rechtssicher ausgeschlossen werden kann. Über das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. In der Praxis ist es unerheblich, ob der beauftragte Unternehmer bewusst selbstständig sein will und den Abschluss eines Arbeitsvertrages ablehnt.

Ein Beispiel aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann dies verdeutlichen: Ein selbständiger Malermeister mit mehreren Festangestellten bat einen als Alleinunternehmer tätigen Stuckateurmeister um Mithilfe an einem Bauvorhaben, weil er die Auftragsarbeiten mit den ihm zur Verfügung stehenden Angestellten nicht bewältigen konnte. Dieser Stukkateurmeister hatte sich bei der Berufsgenossenschaft von der Unternehmerpflichtversicherung befreien lassen.

Auf der Baustelle sollten alle Personen gemeinsam den Außenputz an dem Wohnhaus anbringen. Als die Putzmaschine nicht ordnungsgemäß funktionierte, wollte der Stukkateurmeister den Schneckenmantel auswechseln. Während er an der geöffneten Maschine arbeitete, stellte der Malermeister, der von dem Vorgang nichts bemerkt hatte, die Maschine wieder an. Durch die Bewegung der Mischwelle wurden dem Stukkateur die Finger der linken Hand abgetrennt. Er meldete diesen Unfall als Arbeitsunfall der Unfallversicherung. Diese lehnte die Anerkennung des Unfallschadens aufgrund der Befreiung ab.

Das BSG stellte jedoch fest, dass der Stukkateurmeister trotz der von beiden Parteien gewollten Selbstständigkeit im Rahmen dieses Auftrags versicherungspflichtig beschäftigt und damit auch unfallversichert war. Für das BSG spielte es keine Rolle, dass der Stukkateur eigenes Werkzeug eingesetzt hatte und ihm weder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch Urlaubsgeld zustanden. Entscheidend war u.a., dass er wie die anderen Festangestellten tätig war und es keinen auf den Stukkateur bezogenen abgrenzbaren Auftrag zur Erstellung eines Teilwerkes, dessen besonderen Erfolg er geschuldet hätte, gab.

BSG – 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R

In beiden genannten Fallkonstellationen kann es also dazu kommen, dass die Sozialkassen von einem Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber ausgehen und hohe Beitragsnachforderungen stellen. Dieses Risiko besteht insbesondere auch im Rahmen der Leih- bzw. Zeitarbeit. Wenn nämlich die Leiharbeiter in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und sich ihre Tätigkeit nicht von den Tätigkeiten der Festangestellten Mitarbeiter unterscheidet und sie gleichermaßen den Weisungen des Entleihbetriebes unterliegen und ihre Tätigkeit über die Vereinbarungen des Werkvertrages hinausgeht, besteht auch in diesen Fällen die Gefahr, dass ein Beschäftigungsverhältnis zum Entleihbetrieb angenommen wird.

Es nützt also nichts, den besten Werkvertrag zu formulieren, wenn die gelebte Praxis davon abweicht. Rechtssicherheit lässt sich nur erreichen, wenn man vorab die Tätigkeit für einen Auftraggeber von der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund im Rahmen einer Statusklärung oder durch die Einzugsstelle der Krankenkassen prüfen lässt.